Der Combino in Potsdam

Der Combino ist die erste Generation von niederflurigen Straßenbahnwagen in Potsdam. Insgesamt wurden von der Firma Siemens zwischen 1998 und 2001 16 Fahrzeuge geliefert. Ein Einzelgänger ist der Combino-Prototyp Nr. 400 von 1996. 

Fahrzeuggeschichte

Am 4. September 1996 schrieb der Verkehrsbetrieb Potsdam europaweit 48 niederflurige Straßenbahnwagen aus. Bereits einen Monat später fanden erste Probe- und Vorführfahrten mit drei Wagen verschiedener Hersteller statt. Darunter befand sich auch der Combino-Prototyp von Siemens.

 

Die Geschichte dieses Fahrzeuges, welches seinen Anfang als Projekt “NF 100” nahm, reicht zurück bis in das Jahr 1994. Damals begannen Siemens Verkehrstechnik und die DÜWAG mit der Entwicklung eines neuen Niederflurkonzeptes. Durch die Verlegung der gesamten Elektrotechnik auf das Dach des Wagens konnten Komponenten wie Front-, Mittel- und Laufmodule zu 100% niederflurig ausgelegt werden. Das wirklich Neue an diesem Wagen waren jedoch die recht umfangreichen Kombinationsmöglichkeiten, die Dank der Modulbauweise umgesetzt werden konnten.

 

Am 3. Juli 1996 wurde das neue Fahrzeug, welches ab sofort den Namen “Combino” trug, im Werk Düsseldorf vorgestellt. Danach begann man mit Vorführfahrten in Düsseldorf, Berlin, Wien, Barcelona, Erfurt und Basel. In Potsdam war das Fahrzeug vom 1. Juli bis 25. August 1997 zu Testzwecken unterwegs. Bereits im Dezember 1996 hatte die ViP den Vertrag zum Kauf dieses Fahrzeuges unterschrieben.

 

Im September 1997 begann man in Düsseldorf mit dem Bau des weltweit ersten Serien-Combinos (Nr. 401), der genau ein Jahr später sein internes Roll-out hatte. Am 9. Oktober 1998 erreichte das Fahrzeug dann auch Potsdam und wurde in einer werbewirksamen Hülle auf Probe- und Einstellfahrt “auf Strecke” geschickt.

 

Mit einem spektakulären Roll-out am Nauener Tor, wurde dann am 22.10.1998 das Niederflurzeitalter in Potsdam eingeläutet.

Die Combino-Krise

Der Combino wurde in Leichtbauweise aus Aluminium hergestellt, was sich später als nachteilig erwies. An den lediglich geschraubten Aluminium-Rahmen lösten sich Verbindungen, die bei einigen Wagen zu Haarrissen in den Verbindungen zwischen Dach und Seitenwand führten. Da nicht ausgeschlossen werden konnte dass Fahrzeug-Dächer einstürzen könnten oder die Beschädigungen an den Seitenwänden fortschreiten könnten, empfahl Siemens die Stillegung aller Combinos ab einer Laufleistung von 120.000 Kilometern. Am 12. März 2004, 16:15 Uhr zog der Verkehrsbetrieb seine gesamte Combino Flotte aus dem Verkehr. Die hier vorhandenen Wagen hatten alle bereits zwischen 200.000 und 400.000 Kilometer zurückgelegt. 

Um die fehlenden Combinos auszugleichen fuhren kurzzeitig SEV-Busse und historische Wagen im Liniendienst. Als längerfristige Maßnahme wurden abgestellte Tatra-Wagen reaktiviert und bereits verkaufte Wagen aus Ungarn zurückgeholt. Eine zunächst ebenfalls ins Auge gefasste Übernahme Berliner Wagen kam aus technischen Gründen nicht zustande. Am 19. April konnte der normale Fahrplan ohne SEV jedoch auch ohne die Combinos wieder aufgenommen werden. Nachdem alle Potsdamer Combinos untersucht wurden, konnten sie nach und nach bis Dezember 2004 wieder in Betrieb gehen. 

 

Am 22. Mai 2005 wurde mit Combino 409 die erste der 16 Bahnen dieses Typs zur Sanierung nach Krefeld überführt. Im Zuge der Maßnahmen wurden u.a. die Wagenstruktur entlastet und lokale Verstärkungsmaßnahmen vorgenommen. Die Fahrwerke erhielten eine zusätzliche Drehdämpfung  und die Wagenkästen wurden mit so genannten Schwenk-Wank-Lagern miteinander verbunden. Die Fahrzeuge erhielten dadurch ein Mehrgewicht von 800 bis 1000 Kilogramm. Das Sanierungsprogramm für die Potsdamer Serienwagen endete am 12. Dezember 2008 mit der Anlieferung von Combino 413.

 

Die ViP plante die Umstellung des gesamten Wagenparks auf die 48 Combinos bis zum Jahre 2008, wobei jedes Jahr ca. vier Fahrzeuge ausgeliefert werden sollten. Mit dem Desaster vom 12. März 2004 endete aber die Geschichte der Potsdamer Combinos, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Trotz allem haben immerhin 16 Fahrzeuge ihren Weg bis nach Potsdam gefunden, wo sie nach der Sanierung bis heute komplett im Einsatz stehen. 

Combino des Verkehrsbetriebs Potsdam
Combino des Verkehrsbetriebs Potsdam | (C) Robert Leichsenring

Technische Daten

Wagenkastenlänge

Wagenkastenbreite

Wagenkastenhöhe

Sitzplätze

Motorleistung

Höchstgeschwindigkeit

Leergewicht

30 520 mm

2300 mm

3510 mm

69

4 * 100 kW

70 km/h

31 t


Fahrzeugaufbau

Der Potsdamer Combino ist ein fünfteiliges und zu 100% niederfluriges Fahrzeug. Er verfügt über drei achslosen Drehgestelle.

Bildergalerie

Combino-Verlängerung

2017 begannt die Firma Siemens im Auftrag des Verkehrsbetriebs mit den Umbauten zur Kapazitätserweiterung von insgesamt acht Combino-Niederflurwagen. Nach der Erweiterung  um zwei Module (vier und sieben Meter lang) sollen rund 235 Fahrgäste in den dann 42 Meter langen Fahrzeugen Platz finden. Der Umbau erfolgt in zwei Stufen: zunächst wurde Wagen 410 testweise verlängert. Er traf am 07.09. wieder in Potsdam ein. Das Verlängerungsprogramm konnte am 31. Mai 2018 beendet werden. An diesem Tag traf mit Combino 414 der letzte Wagen wieder in Potsdam ein.

 

Der Umbau der acht Combinos war Teil eines millionenschweren Investitionspaketes in die Infrastruktur der Potsdamer Straßenbahn, welches bereits im Januar 2015 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde. Im Zuge  der Combino-Verlängerung muss auch die Werkstatt der ViP umgebaut werden - für die 42 Meter langen Combinos ist die Halle zu klein. Auch acht Bahnsteige müssen angepasst werden.

Der Einzelgänger - Combino Prototyp 400

Combino-Prototyp
Combino-Prototyp im Look des Verkehrsbetriebs Potsdam | (C) Robert Leichsenring

Wie oben bereits ausführlich beschrieben, baute Siemens im Jahre 1996 einen Prototypen für seine Combino-Serie. Nach Abschluss der Testreihe, die den Wagen durch halb Europa führten,  wurde er an die ViP übergeben. Der Wagen wurde mit der Nummer 400 in den historischen Wagenpark des Verkehrsbetriebes aufgenommen. Im April 2008 entschied die ViP, den Wagen für den Linienverkehr anzupassen. In den Siemens-Werken in Krefeld und Leipzig wurde Combino 400 saniert und die Fahrwerke und Teile der elektrischen Ausrüstung hauptuntersucht. Die äußerliche Angleichung an die Serienwagen erfolgte zum großen Teil in der Werkstatt der ViP, wo das Außen- und Innendesign, der Fahrerstand und die meisten technischen Funktionen angepasst wurden. Zudem führte  die ViP in Eigenleistung die Hauptuntersuchung an den Türen und den restlichen elektrischen Komponenten durch.

Im Januar 2010 rollte der Wagen erstmals wieder im Liniendienst und wurde auf den Namen der Potsdamer Partnerstadt „Perugia“ getauft. 

 

Lange währte sein Einsatz nicht – am 21.11.2010 entgleiste 400 im Bereich des Wendedreiecks an der Glienicker Brücke. Der Wagen war bei der Ausfahrt aus dem Dreieck, bei der der hintere Führerstand genutzt wurde, aus dem Gleis gesprungen und hatte dabei einen Straßenpoller und einen Mast der Straßenbeleuchtung gerammt. Nach langer Abstellung und Aufarbeitung kehrte der Wagen im Juli 2012 in den Liniendienst zurück. Sein Einsatz blieb dabei aber auf die Linien 94 und 99 beschränkt.  Am 6.12.2013 musst er erneut abgestellt werden.

 

Auf den Tag genau zwei Jahre später konnte der Combino-Prototyp am 6.12.2015 seine ersten „Gehversuche“ als Glühwein-Express unternehmen. Die ViP hatte die Standzeit des Wagens genutzt, um das Einzelrad-Einzelfahrwerk (EEF) instand zu setzen und eine Hauptuntersuchung der Triebfahrwerke durchzuführen. Ab 14.12.2015 war der Wagen auch wieder im Liniendienst, zwischenzeitlich jedoch längere Zeit erneut abgestellt.  

Combino 400 wird erste autonom-fahrende Straßenbahn der Welt

Im April 2018 begann der Umbau des Combino-Prototypen zur ersten autonom fahrenden Straßenbahn der Welt. Zusammen mit der ViP startete die Siemens Mobility GmbH das Projekt „Autonomous“. Der Combino Nr. 400 (Baujahr 1996) bekam zahlreiche Sensoren zur Überwachung des Fahrweges und der Umgebung sowie weitreichende Computertechnik eingebaut. So umgerüstet rollt er seit Mai 2018 völlig autonom auf dem Streckenabschnitt zwischen Betriebshof ViP und der Wendeschleife am Stern.

 

Das Fahrzeug wird während der Testphase von Technikern und Ingenieuren von Siemens begleitet, die die gesammelten Daten auswerten. Zur Sicherheit fährt auch immer ein Fahrer der ViP mit, der im Notfall sofort eingreifen könnte. Nicht autonom fährt der Wagen (Stand September 2018) lediglich auf dem Hof der ViP und ab dem Abzweig in die Wendeschleife.

Fahrzeugliste

Wagennr. Baujahr Sanierung* Name** Bemerkung
         
400 1996 01 / 2009 Perugia Prototyp, ZR
2005 zu hist. Wagen
2008-2010 Umbau für Lininendienst, 2018 Umbau für autonomes Fahren
401 1998 09 / 2008 Potsdam erster Combino-Serienwagen 
402 1998 08 / 2008  Ausgburg  
403 1998 08 / 2008 Freiburg i.Br.  
404 1998 08 / 2008 Hiroshima  
405 1999 10 / 2007 Nordhausen  
406 1999 12 / 2007  Erfurt  
407 1999 07 / 2008 Basel  
408 1999 01 / 2008  Düsseldorf  
409 2000 10 / 2007 Melbourne verlängert seit 11/2017
410 2000 04 / 2008  Amsterdam verlängert seit 09/2017
411 2000 02 / 2008 Bern verlängert seit 09/2017
412 2000 03 / 2008 Ijburg verlängert seit 09/2017
413 2001 12 / 2008 Lichterfelde verlängert seit 03/2018 
414 2001 09 / 2008 

Charlottenburg

Weil am Rhein

verlängert seit 05/2018 

415 2001 11 / 2008

Mödling

Ulm

verlängert seit 02/2018
416 2001 11 / 2008  Offenbach  verlängert seit 01/2018
         

* Die Zeitangabe bezieht sich auf die Anlieferung nach der Sanierung bei Siemens. Die Inbetriebnahme erfolgte i.d.R. ca. 6 Wochen später.

** Alles rund um die Namen der Potsdamer Straßenbahnwagen erfährst Du auf dieser Seite.